Europas Universitäten brennen!

Ich wurde von den Grünen in meinem Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus, gebeten, einen Artikel über die aktuell besetzten Universitäten für den Schmelztiegel, deren regelmäßige Zeitung, zu schreiben:

Seit Wochen sind viele Hörsäle an Universitäten in Österreich und ganz Europa besetzt.

#unibrenntEs begann an der Akademie der bildenden Künste, an der die Einführung von Studiengängen nach dem Bologna-System kurz bevor steht, eine Folge des im Sommer novellierten Universitätsgesetzes. Eine Änderung, die weder bei Lehrenden noch Studierenden auf Gegenliebe stößt, gilt der Bachelorabschluß doch als minderwertig. Jedenfalls wurde im Anschluß an diese Pressekonferenz beschlossen, aus Protest die Aula zu besetzen.

Zwei Tage später fand im Votivpark eine Solidaritätskundgebung statt, in deren Anschluß relativ ungeplant das Audimax (der größte Hörsaal) besetzt wurde. Ungewöhnlich war, dass sich auf einmal eine große Menge von Menschen anschloss, der Hörsaal barst an den ersten Abenden aus allen Nähten. Erfahren von der Besetzung hatten die meisten Menschen über Mundpropaganda und über die neuen Medien, vor allem Twitter und Facebook. Die gewählte Vertretung der Studierenden, die Österreichische HochschülerInnenschaft, sah fassungslos zu, wie sich die Studierenden auf einmal selbst organisierten und klarmachten, dass sie eine Einmischung gar nicht wünschen.

In den folgenden Tagen breitete sich der Protest auf ganz Österreich aus, so wurden Hörsäle in den meisten Universitätsstädten besetzt. Nach zwei Wochen begann sich der Protest auf Deutschland auszubreiten, derzeit (Ende November 2009) sind über 80 Hörsäle oder andere Räumlichkeiten von Universitäten in ganz Europa besetzt. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar.

Leider ist auf den Besetzungen nicht alles eitel Wonne, sind diese doch auch nur ein Abbild unserer Gesellschaft. Kritisiert wird unter anderem der latente Sexismus, der z.B. in Redebeiträgen deutlich wird, es kam sogar zu sexuellen Übergriffen auf schlafende Besetzerinnen. Auch wenn die BesetzerInnen versuchen, die Hörsäle möglichst zu schonen, kommt es immer wieder zu Verschmutzungen und Vandalismus. Natürlich werden vor allem die Wände mit politischen Plakaten und Transparenten zugepflastert.

Interessant ist dafür die Organisationsstruktur: Es wurden diverse Arbeitsgruppen geschaffen, die spezifisch an bestimmten Themen arbeiten, z.B. an den Forderungen, an der Organisation, Pressearbeit oder Verpflegung. Jeden Tag werden interessante Personen zu Vorträgen und Diskussionsrunden eingeladen. Sehr wichtig ist die Vernetzung über das Internet, so werden über Twitter Aufrufe nach Verpflegung und Spenden ausgesandt, die Plena und Vorträge werden mittels Livestream ins Internet übertragen. Damit sind die Besetzungen sehr transparent, was für positives Echo in der Bevölkerung sorgt.

Grund für die Besetzungen sind die untragbaren Bedingungen im Bildungssystem. Das europäische Bologna-System hat zwar zu einem Zuwachs an Studierenden geführt, allerdings sind die Universitäten seit den Sparpaketen in den 1990er Jahren massiv unterfinanziert. Es wird versucht, die Engpässe an den Universitäten durch Zugangsbeschränkungen und unfaire Knock-Out-Prüfungen zu lösen, welche aber zu Konkurrenzsituationen zwischen Studierenden führen und daher abgelehnt werden. Die BesetzerInnen sehen, dass Bildung eine wichtige Ressource für die Gesellschaft der Zukunft ist, diese ihnen aber von der Politik verwehrt wird und das notwendige Geld stattdessen in Banken und unnachhaltige Infrastrukturprojekte gesteckt wird.

In den Kindergärten und Schulen sieht die Situation nicht viel besser aus. Gerade in den ersten Lebensjahren wird die Basis für das spätere Lern- und Leistungsverhalten geprägt. Überfüllte Kindergärten und miese Gehälter machen KindergärtnerInnen das Leben schwer, diese sind extrem Burn-Out gefährdet. Die Situation in den Schulen sieht nicht besser aus, die PISA-Ergebnisse bescheinigen Österreich einen massiven Nachholbedarf, über Reformen wird seit Jahren nur geredet.

Infos: http://www.unsereuni.at

One Response to “Europas Universitäten brennen!”

  1. Neenee sagt:

    Hallo Plepe!

    Danke für deinen Artikel! Hier ist ein Besetzer aus Erlangen. Bin auf deine Seite über openstreetbrowser.org gestoßen. Ein geniales Projekt, v.a. seit dem die osm-Daten langsam immer besser werden! Bleibt bitte drüber, sucht euch neue Leute, die mithelfen und mitprogrammieren! Openstreetbrowser ist inzwischen meine Standard-Anlaufstelle geworden, wenn’s um Karten geht. ;-)

    Schöne Grüße aus Erlangen! Wir besetzen wieder Ende April, wenn sich nix großes in der Politik getan hat.

    Dein Neenee

    PS: Dein Blog will unbedingt JavaScript. Sehr aggressiv nenn ich das! ;-)

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